Der Verfall der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit als Versicherungsfall in der Sozial- und Privatversicherung

Die Sozialversicherung ist ein Element des Sozialstaatsprinzips. Zur Sozialversicherung gehören u.a. die gesetzliche Krankenversicherung, die gesetzliche Pflegeversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung.

In der Sozialversicherung sind Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Erwerbsminderung als Ausprägungen des Verfalls der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit an verschieden Stellen in den Sozialgesetzbüchern (SGB) versichert. Auch die Privatversicherung bildet mit ihren unterschiedlichen Produkten einen weiten Bogen zur Versicherung der Folgen dieser Risiken.

Pflegeversicherung in der Form der gesetzlichen Pflege- und der der privaten Pflegeversicherung

Seit dem 01.01.1995 regelt das das SGB XI die gesetzliche Pflegeversicherung. Mit Wirkung zum 01.01.2015 gelten durch das "Erste Pflegestärkungsgesetz - PSG I" Neuregelungen bei den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Diese lassen sich wie folgt skizzieren:

§ 36 SGB XI - Sachleistungen

Dynamisierung der Sachleistungen ab dem 01.01.2015 in
Stufe 0 = € 231,00
Stufe I = € 468,00
Stufe II = € 1.144,00
Stufe III = € 1.612,00
Stufe III + Härtefall = € 1.995,00

Sofern die Alltagskompetenz eingeschränkt ist, erhöhen sich die Leistungsbeträge in Stufe I um zusätzliche € 221 auf € 689 und in Stufe II um € 154 auf € 1.298. Zum 01.01.2015 gibt es zwischen der Sachleistung nach § 36 SGB XI und der Tagespflege nach § 41 SGB XI keinen Unterschied mehr bezüglich der Leistungshöhe, da auch die Beträge der Tagespflege um die entsprechenden Zuschläge erhöht worden sind.

§ 37 SGB XI - Pflegegeld

Das Pflegegeld wurde ebenfalls dynamisiert und beträgt ab dem 01.01.2015 in
Stufe 0 = € 123,00
Stufe I = € 244,00
Stufe II = € 458,00
Stufe III = € 728,00

Sofern die Alltagskompetenz einschränkt ist, erhöhen sich die Leistungsbeträge in Stufe I um zusätzliche € 72,00 auf € 316,00 und in Stufe II um € 87,00 auf € 545,00.

Der Kostenersatz für die Beratungseinsätze wird bei den Stufen I und II von € 21,00 auf € 22,00 angehoben. In Stufe III erfolgt eine Anhebung von € 31,00 auf € 32,00.

Private Pflegeversicherungen der dem Verband der privaten Krankenversicherer (PKV) angeschlossenen Unternehmen

Hier sind verschiedene Versicherungskonzepte zu unterscheiden, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten.

Obligatorische private Pflegeversicherung gem. § 23 SGB XI SGB

Diese Pflegeversicherung ist die Ergänzung der obligatorischen Krankheitskostenvollversicherung gem. § 193 VVG. Diejenigen, die nicht verpflichtet sind, ihre Krankenversicherung bei der gesetzlichen Krankenversicherung zu nehmen, haben die Pflicht, sich privat gegen die Risiken der Pflegebedürftigkeit zu versichern.

Private Pflegezusatzversicherungen

Die Leistungen der oben angesprochenen Pflegeversicherung sei es der gesetzlichen oder der privaten mit ihren Pflegestufen reichen oftmals nicht aus, um die Kosten einer Pflege abzudecken. Die privaten Krankenversicherer bieten daher eine Flankierung der sozialen und privaten Pflegeversicherung durch eine zusätzliche private Absicherung an. Es gibt insoweit zwei verschiedene Versicherungsvarianten:

  • Pflegekostenversicherungen
  • Pflegetagegeldversicherungen oder Pflegemonatsversicherung

Die Pflegebedürftigkeit

Die Pflegebedürftigkeit ist der zentrale Begriff zur Formulierung des Versicherungsfalls sowohl in der gesetzlichen wie auch der hier angesprochenen privaten Pflegeversicherungen.

Eine Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn gem. § 14 SGB XI die versicherte Person aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung voraussichtlich für eine Dauer von mindestens sechs Monaten bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Alltag der Hilfestellung einer anderen Person bedarf.

Ob und in welchem Umfang eine Pflegebedürftigkeit vorliegt prüfen der Medizinische Dienst der Krankenkassen, der Sozialmedizinische Dienst der Knappschaften für die gesetzlichen Krankenversicherungen sowie die MedicProof GmbH für die privaten Pflegeversicherungen. Sie ordnen auf Grundlage der krankheits- und unfallbedingten Defizite des Versicherten diesem eine Pflegestufe zu.

Versicherungsprodukte der dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) angeschlossenen Unternehmen der Lebensversicherung

Bei diesen Versicherungsprodukten finden sich Klassiker und wenige bekannte Versicherungsarten.

Private Pflegerentenversicherung

Die Pflegerentenversicherung gibt es in zwei Formen:

  • Unselbstständige Pflegerentenversicherung
  • Selbstständige Pflegerentenversicherung

Die unselbstständige Pflegerentenversicherung ist die Parallele zur kapitalbildenden Lebensversicherung auf den Todes- und den Erlebensfall. Es gibt drei Leistungsmöglichkeiten: Todesfallleistung, Rente bei Pflegebedürftigkeit und Altersrente ab dem 80. oder 85. Lebensjahr.

Die selbstständige Pflegerentenversicherung entspricht von der Konstruktion her der Risikolebensversicherung und zahlt die vereinbarte Monatsrente ausschließlich bei Eintritt der versicherten Pflegebedürftigkeit. Die volle Pflegerente gibt es erst ab Pflegestufe III. In den anderen beiden Pflegestufen erhält der Versicherungsnehmer je nach Tarif eine anteilige Pflegerente.

Die Beurteilung und die Bemessung der Pflegebedürftigkeit erfolgt hier anders als bei den zuvor angesprochenen Pflegeversicherungen auf Grundlage eines ADL-Punktekatalogs (ADL=activities of daily living). Hierbei wird zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit ärztlich untersucht und festgestellt, in welchem Umfang der Versicherungsnehmer bestimmte Grundfertigkeiten eigenständig ausführen kann. Die Versicherer staffeln die Leistungen in ihren Produkten nach der Anzahl der erreichten ADL-Punkte, wobei je ein Punkt für eine nicht selbstständig ausführbare Grundfertigkeit vergeben wird. Zumeist wird in Deutschland mit einem 6-Punktesystem gearbeitet.

Erwerbsminderungsrente in der Form der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der privaten Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung der privaten Lebensversicherer

Auf der Ebene der Sozialversicherung tritt insoweit die gesetzliche Rentenversicherung mit ihrer Erwerbsminderungsrente gem. § 43 SGB VI ein.

Es ist voll erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Am 01.01.2001 trat das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ein. Es hat die damals noch gültige gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung für alle mit Geburtsjahr ab 1961 abgeschafft. Als berufsunfähig galt bis dahin jeder, dessen Erwerbsfähigkeit in dem von ihm ausgeübten Beruf aufgrund einer Krankheit oder Behinderung mehr als zur Hälfte gemindert war.

Wegen der durch die Reduzierung des gesetzlichen Versicherungsschutzes entstandenen Versorgungslücke ist es ratsam, für den Fall der Berufsunfähigkeit privat vorzusorgen.

Die private Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es als Zusatzversicherung zu einer Lebensversicherung (Berufsunfähigkeitszusatzversicherung = BUZ) oder als selbstständigen Vertrag (Berufsunfähigkeitsversicherung = BU).

In den Versicherungsbedingungen wird die einen Leistungsanspruch begründende Berufsunfähigkeit regelmäßig als einen aus Krankheit, Unfall oder einem (mehr als altersentsprechenden) Kräfteverfall resultierenden Verlust von mindestens 50% der beruflichen Leistungsfähigkeit der versicherten Person für eine Dauer von mindestens sechs Monaten definiert.

Sofern lediglich eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung als Zusatzversicherung oder als selbstständiger Versicherungsvertrag abgeschlossen worden ist, gilt der Versicherungsnehmer als erwerbsunfähig, wenn er aus gesundheitlichen Gründen keinerlei berufliche Tätigkeit (= mindestens 3 Stunden) mehr ausüben kann. Auf den tatsächlich ausgeübten Beruf kommt es insoweit nicht an.

In einigen Berufsunfähigkeitsversicherungen wird die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit auch für den Fall einer nachgewiesenen Pflegebedürftigkeit anerkannt. Hier kommt es jedoch auf die Ausgestaltung der Versicherungspolicen an. Sofern lediglich eine Police in Form einer Basis-Rentenversicherung bzw. eines Basis-Sparplans (Versorgungsschicht 1) abgeschlossen worden ist, kann mit einer Pflegebedürftigkeit nicht ohne weiteres eine leistungspflichtige Berufsunfähigkeit begründet werden.

Die Dread-Disease-Versicherung

Die Dread-Disease-Versicherung kommt in Betracht, wenn eine Berufsunfähigkeits- oder eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung zum Beispiel wegen des Vorhandeneins psychischer Erkrankungen nicht erhältlich ist.

Aus der Versicherungspolice wird bei Eintritt einer schweren Erkrankung die vereinbarte Versicherungssumme geleistet.

In den Versicherungsbedingungen vieler Dread-Disease-Tarife wird eine Pflegebedürftigkeit des Versicherungsnehmers oder des Versicherten als Versicherungsfall erwähnt. Hier weichen die Begrifflichkeiten bei einigen Versicherern aber wiederum sehr von denjenigen des Sozialrechts ab.

Es sollte daher demjenigen Versicherer der Vorzug gewährt werden, welcher den Nachweis der Pflegebedürftigkeit bzw. einer leistungspflichtigen Pflegestufe als erbracht ansieht, wenn ein entsprechender Bescheid seitens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, des Sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaften oder der MedicProof GmbH vorliegt.

Anwältin für Versicherungsrecht

Rechtsanwältin Eva Mustermann
Mustermann Kanzlei

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