Rechtsanwältin Eva Mustermann, Musterstraße 1, 12345 Musterhausen, Tel.: 01234/56789, eva@mustermann.de
Versicherungsschutz und vorläufige Deckung
Es gibt verschiedene Zeitpunkte, zu denen Versicherungsschutz entstehen kann. Das Versicherungsvertragsgesetz beschreibt in § 10 VVG den gesetzlich vorgesehenen Regelfall. Danach „beginnt die Versicherung mit Beginn des Tages, an dem der Vertrag geschlossen wird.“ In Ermangelung abweichender Vereinbarungen beginnt der Versicherungsschutz also um Punkt Mitternacht des Tages, an dem der Versicherungsvertrag wirksam abgeschlossen wird.
Versicherungsnehmer und Versicherung haben allerdings die Möglichkeit, von diesem im Gesetz vorgesehenen Regelfall abzuweichen. Sie können insbesondere im Versicherungsvertrag einen abweichenden Beginn für den Versicherungsschutz festlegen. Eine solcher abweichender Beginn ist im VVG für den Fall explizit vorgesehen, dass die Vertragsparteien im Vertrag vereinbaren, dass „der Versicherungsschutz vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt (Rückwärtsversicherung)“, § 2 Abs. 1 VVG. Soweit die Parteien also den „Versicherungsbeginn“ einvernehmlich auf einen Zeitpunkt legen, der vor dem wirksamen Vertragsschluss liegt, besteht grundsätzlich auch schon ab diesem früheren Zeitpunkt Versicherungsschutz.
Um Missbrauch bei einer Rückwärtsversicherung zu unterbinden, sieht § 2 Abs. 2 VVG allerdings vor, dass das Versicherungsunternehmen dann nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Antragsstellung für eine Rückversicherung positive Kenntnis davon hat, dass ein Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Vorraussetzung für die Leistungsfreiheit der Versicherung ist allerdings, dass der Versicherungsnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt von dem Eintritt des Versicherungsfalls weiß. Es reicht für die Leistungsbefreiung der Versicherung nicht aus, dass der Versicherer den Eintritt des Versicherungsfalls hätte wissen können. Auch grob fahrlässige Unkenntnis auf Seiten des Versicherungsnehmers ist für den Bestand des Versicherungsschutzes bei einer Rückversicherung unschädlich.
Soweit der Versicherungsnehmer allerdings sichere Kenntnis von dem bereits erfolgten Eintritt des Versicherungsfalls hat, muss der Versicherer für diesen Fall keine Leistung erbringen. Auf den Bestand des Versicherungsvertrags an sich hat dieser Sachverhalt allerdings keinen Einfluss. Der Versicherungsnehmer bleibt also zur Zahlung der vereinbarten Prämien verpflichtet, für zukünftige Versicherungsfälle muss der Versicherer Deckung gewähren.
Ein von dem Zustandekommen des Hauptvertrages unabhängiger Versicherungsschutz kann zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer auch durch die Vereinbarung einer so genannten vorläufigen Deckung zustande kommen. Ein solcher vorläufiger Versicherungsschutz wird im Rahmen der KFZ-Haftpflicht regelmäßig vereinbart, damit der KFZ-Halter bereits vor Abschluss des eigentlichen Haftpflichtversicherungsvertrages in die Lage versetzt wird, sein KFZ zuzulassen und am Straßenverkehr teilzunehmen. Nachgewiesen wird die Übernahme der vorläufigen Deckung durch Vorlage einer so genannten Doppelkarte bei der Zulassungsbehörde.
Die im VVG vorgesehenen umfangreichen Aufklärungs- und Informationspflichten, die den Versicherer bei Abschluss eines Versicherungsvertrages treffen, sind im Falle der Vereinbarung einer vorläufigen Deckung deutlich abgemildert. Es ist zulässig, dass Vertragsbestimmungen und sonstige Informationen nur auf Anforderung des Versicherungsnehmers und spätestens mit dem Versicherungsschein vom Versicherer übermittelt werden. Sofern zwischen den Vertragsparteien für den Versicherungsschutz kraft vorläufiger Deckung keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden, gelten die Vertragsbedingungen, die vom Versicherungsunternehmen für diesen Fall üblicherweise verwendet werden, bei Fehlen solcher Bedingungen die für den Hauptvertrag vom Versicherer verwendeten Bedingungen Vertragsbestandteil, § 49 Abs. 2 VVG.
Kommt nach Vereinbarung einer vorläufigen Deckung kein Hauptvertrag zustande, kann der Versicherer vom Versicherungsnehmer für die Übergangszeit, für die ein vorläufiger Deckungsschutz gewährt wurde, die Zahlung einer Versicherungsprämie verlangen.
Die Umstände für die Beendigung der vorläufigen Deckung sind in § 52 VVG beschrieben. Danach endet die vorläufige Deckung automatisch, wenn der Versicherungsschutz nach dem Hauptvertrag beginnt oder ein weiterer Vertrag über eine vorläufige Deckung abgeschlossen wird. Kommt der Hauptvertrag deswegen nicht zustande, weil der Versicherungsnehmer den Hauptvertrag durch Widerruf oder Widerspruch zu Fall bringt, endet die vorläufige Deckung mit dem Zugang der entsprechenden Erklärung des Versicherungsnehmers beim Versicherer.
Ist die vorläufige Deckung zeitlich unbegrenzt vereinbart worden, kann jeder Vertragspartner den Vertrag fristlos kündigen. Die Kündigung des Versicherers wird jedoch erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Zugang wirksam.
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